Internationales Baurecht – What can we learn from each other?

„[…] Die englische Bauindustrie durchlief in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Talfahrt. Ian Reeves, Chairman of Constructing Excellence, spricht von dieser Zeit als einem „Cut-Throat Bidding Wettbewerb“. Der Preis des Bieters, der den Zuschlag erhielt, war „invariably inadequate todo the job …“ „… Litigation was complete out of control“.

Dr. Wolfgang Breyer, Editorial in: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivilrechte Baurecht (BauR), Heft 12, Dezember 2016

Auszug:

Eine Situation, die noch bis vor wenigen Jahren hierzulande durchaus nicht unbekannt war. Auf Basis der Empfehlungen von Sir Michael Latham („Construction the Team“) entstand der Construction and Regeneration Act. Sir John Egans erster Report („Rethinking Construction“) bildete eine weitere Grundlage für Initiativen, die die englische Bauindustrie nachhaltig veränderten. Die wohl wichtigsten Änderungen:

1. Einführung eines gesetzlich vorgeschriebenen Adjudication Verfahrens;
2. Entwicklung eines Standardvertrages für ein hochentwickeltes Partnering-Modell.

Zu 1: Der Gang zum Gericht bleibt den Parteien- zumindest in 1. Instanz- verwehrt. Abweichende vertragliche Regelungen sind wirkungslos. Das Adjudication Verfahren sieht eine zwingende Entscheidungsfrist von 28 Tagen für den oder die Adjudicators über den „Dispute“ vor. Diese Frist kann nur einmal mit Einverständnis der den Claim einreichenden Partei um 14 Tage verlängert werden. Natürlich taucht die Frage auf, ob komplexe Sachverhalte und Rechtsfragen innerhalb dieser Frist mit entsprechender Tiefgründigkeit behandelt werden können. „Nein“ wird wohl die richtige Antwort sein. Allerdings hängt diese von dem grundlegenden Verständnis ab, mit welcher Detailtiefe Baurechtsstreitigkeiten entschieden werden sollten. „Yes, it’s quick and dirty but, it has been seen as pretty fair“.

Tatsache ist jedenfalls, dass bis 2014 lediglich 2 % der Adjudication Entscheidungen in die nächste Instanz gehen. Das wäre übrigens i.d.R. der Technology and Construction Court, ein Gericht, das englandweit (auch) auf Baurechtsstreitigkeiten spezialisiert ist. Auch etwas, auf das man neidisch sein darf.

Zu 2: Lathams und Egans Ansätze waren, die „adversarial structures“ der Bauindustrie hinter sich zu lassen, weg von einem „lowest price single stage tendering under risk dumping traditional forms of contract“ hin zu einem Verfahren, das auf einer frühzeitigen Einbindung der ausführenden Unternehmen („Early Constructor Announcement“) eine detaillierte – auch finanzielle – Analyse der zu erwartenden Risiken in einem kooperativen Verfahren vorsieht. Es geht also um Risikomanagement statt um bloße, oft unreflektierte Risikoverteilung. Diese Ansätze wurden von der britischen Regierung im Jahr 2011 in die Government Construction Strategy übernommen. Mit der frühen Einbeziehung der „Constructors“ ist keineswegs – wie etwa hierzulande weitgehend üblich – nur der auch mit der Ausführungsplanung betraute Generalunternehmer gemeint, sondern auch und idealerweise alle mit wichtigen Aufgaben bedachte Planer und Fachplaner inklusive der „Key-Subcontractors“, also der Nachunternehmer für Schlüsselgewerke. Die Umsetzung dieser Empfehlungen erfolgte durch Professor David Mosey, Verfasser des PPC (Project Partnering Project) 2000 Vertragsmusters. PPC 2000 ist ein Mehrparteienvertrag, das heißt, alle oben benannten Parteien sind Parteien des Vertrages und haben Rechte und Pflichten und zwar nicht nur dem Auftraggeber gegenüber, sondern auch untereinander. Es gibt Evaluierungen von Bauprojekten, die unter Verwendung dieses Modells nachweislich Kostenvorteile von bis zu 30 % ausweisen. Gleichzeitig sind seit dem Jahr 2000 bei Bauvorhaben, bei denen PPC 2000 Anwendung fand (im Jahr 2012 bei 6 % aller Bauvorhaben in England), lediglich zwei gerichtliche Auseinandersetzung registriert worden.

Ein wesentlicher Unterschied dieses Ansatzes im Vergleich zu in Deutschland praktizierten Partnering Modellen ist der, dass bei letzteren i.d.R. versucht wird, die Motivation der Beteiligten über ein „Value Engineering“ und hieraus resultierende „Savings“ zu wecken. Zum einen wird aber das Value-Engineering in der Regel viel zu spät, nämlich üblicherweise nach Abschluss der Entwurfsplanung angelegt, zum anderen ist die Motivation zur Teilhabe an etwaigen Einsparungsideen aus verschiedensten Gründen oft wenig ausgeprägt. Eine Sanktion bei Verletzung von Informations-, Prüf- und Warnpflichten in einem sehr frühen Stadium ist etwas ganz anderes. Auch inspiriert von diesen Ansätzen hat die ECE Hamburg kürzlich eine Initiative ins Leben gerufen, deren Ziel die Erarbeitung eines ausgewogenen und fairen Partnering-Management-Konzeptes ist, das geeignet ist, einen Standard zu definieren. Unterstützt u.a. durch den deutschen Baugerichtstag und namhafte Vertreter weiterer großer Auftraggeber, der Bauindustrie und der Anwaltschaft scheint der Ansatz vielversprechend.

Wenn nun schon der bilaterale Austausch mit unseren englischen Nachbarn ungemein erquicklich ist, welche Erkenntnisse mag dann erst ein weltweiter baurechtlicher Vergleich und Austausch zwischen und mit den verschiedenen, die Welt dominierenden Rechtsfamilien hervorbringen? Dieser Aufgabe hat sich die International Construction Law Association (ICLA) verschrieben und erfährt hierbei breite Unterstützung auch aus dem akademischen Bereich etwa durch die Peking University Law School, die Melbourne Law School, die University of Copenhagen und das King’s College in London. Die ersten konkreten Ergebnisse sind vielversprechend.“