Auszug:
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Das Ausland ist schon viel weiter
Was beinahe zu schön klingt, um wahr zu sein, ist in anderen Ländern wie den USA, Großbritannien und Australien bereits Realität. Baurechtler Dr. Wolfgang Breyer aus Stuttgart hat sich intensiv mit den Verträgen beschäftigt, die den internationalen Projekten zugrunde liegen – und will nach ihrem Vorbild ein deutsches Vertragsmodell entwickeln. „Auf deutschen Baustellen wird immer noch agiert wie vor 1.000 Jahren“, sagt Breyer. „Alle planen und bauen weitgehend autark. Um ein Projekt zum Erfolg zu führen, brauchen wir aber eine gemeinsame Plattform.“ Sie heißt: Mehrparteienvertrag.
Breyer und Kämpf haben dieselbe Vision. Deshalb riefen sie Ende 2016 die Initiative Teambuilding ins Leben – inzwischen haben sie zahlreiche namhafte Mitstreiter gefunden, darunter die Bauherren BMW, DB Netz, Fraport, Bayer, die Planungsunternehmen Drees & Sommer und Albert Speer sowie die Bauunternehmen Ed. Züblin, Hochtief und Porr. Ihr Ziel: Die Entwicklung eines neuartigen Projektabwicklungsmodells, das den Traum von Kooperation statt Konfrontation auf der Baustelle Wirklichkeit werden lässt.
Grundelemente dieses Modells sind der Mehrparteienvertrag und das Projektplanungstool Building Information Modeling (BIM). Ob das funktioniert, wird nun in zwei Pilotprojekten getestet. Eins davon ist ein Kongresshotel in der Hamburger HafenCity. 2023 soll es eröffnen. Bauherr ist ECE. Kämpf steckt mittendrin (Gemeinsam sind wir stark, Seite 72).
„Manchmal denken wir: Es ist total waghalsig, was wir tun“, sagt er. Denn innerhalb des Projektteams herrscht völlige Transparenz: In der Planungsphase müssen Planer und Bauunternehmen ihre Kosten sowie ihre Kalkulation und der Bauherr sein Budget offenlegen. „Das hat niemand bisher getan.“ Es ist also ein Experiment. Aber die Transparenz ist notwendig, um einen realistischen Preis für das geplante Hotel errechnen zu können. Davon profitieren am Ende schließlich alle. Denn: Je besser der sogenannte Zielpreis den letztlich entstandenen Kosten entspricht, desto mehr Gewinn können alle am Bau Beteiligten unter sich aufteilen.
Ein Experiment ist auch die gemeinsame Erarbeitung des Mehrparteienvertrags. „Als ich den Vertrag zum ersten Mal sah, machte ich wie gewohnt meine Anmerkungen und schickte ihn an Dr. Breyer zurück“, erzählt Kämpf. Doch so funktioniert es nicht im neuen Partnerschaftsmodell. „Ich lernte, dass Dr. Breyer nicht unser Anwalt ist, der unsere Interessen gegenüber den anderen Vertragspartnern wahrnimmt. Sondern dass er uns als Team berät und jeder bei der Ausgestaltung des Vertrags mitreden darf“, so Kämpf. Im Ergebnissoll der Vertrag den wirtschaftlichen Konsens aller Partner wiedergeben. Ende Januar soll er unterschrieben werden.
Der Vertrag wird vorsehen, dass am Bau nicht mehr der Bauherr allein das Sagen hat. Stattdessen wird es ein Projektmanagementteam geben, dem jeweils ein Vertreter jedes Partners angehört. Das Gremium folgt dem Konsensprinzip. „Entscheidet das Projektmanagementteam, dass das Hotel Plastik- anstatt Aluminiumfenster bekommt, weil die Plastikfenster gerade besonders günstig sind und so für alle mehr Gewinn abfällt, muss sich der Bauherr der Entscheidung beugen“, erläutert Kämpf. Oder: Er nutzt die Möglichkeit der Bauherrenanordnung und setzt die Aluminiumfenster durch, die teurer sind. Dann muss er aber auch allein die Mehrkosten dafür tragen.
Geplant wird mithilfe von BIM. Das bietet sich an. Schließlich ist das Planungstool ebenfalls darauf ausgelegt, dass alle Projektbeteiligten von Anfang an mit einem gemeinsamen Modell arbeiten, sodass die Planungen aller Gewerke optimal aufeinander abgestimmt sind – und nicht plötzlich ein Wassersprenkler genau dort an der Decke sitzt, wo eigentlich ein Fenster aufgehen soll. Jeder Fehler reduziert schließlich den Gewinn des Teams. Welcher der BIM-Standards, die zurzeit auf dem Markt verfügbar sind, angewendet wird, entscheidet ebenfalls das Team. Nicht der Bauherr.
„Wir haben über viele Jahre gelernt, auf dem Bau konfrontativ zu arbeiten“, sagt Breyer. „Nun muss ein Umdenken stattfinden in Richtung Teamarbeit.“ Eine sorgfältige Auswahl der entsprechenden Partner ist dabei besonders wichtig. Der Unterschied zum herkömmlichen Modell ist hier, dass der Bauherr nicht nach dem Angebotspreis, sondern allein nach Kompetenz auswählt. In Australien verbringen manche Teams zunächst drei Tage im Outback – und erst, wenn sie sich auf Herz und Nieren geprüft haben, unterschreiben sie den Mehrparteienvertrag. Denn: Vertrauen und Sympathie sind wichtig, schließlich ist die neue Zusammenarbeit eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Aber: „Nicht jeder kann ein solches Vertragswerk bewältigen“, so Breyer. Die Strukturen sind sehr komplex. Deshalb eignen sich die Mehrparteienverträge vor allem für komplexe Projekte.
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Lesen Sie den vollständigen Artikel hier: JUVE Ausgabe 2018/12 – Bauen_mit_Vertrauen.